FELFEL
Neue Akzente in der nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung
Das Zürcher Start-up FELFEL macht den Kühlschrank zum Mittelpunkt seiner gastronomischen Mission: den Mitarbeitenden von kleinen bis zu grossen Betrieben gesunde, frisch zubereitete Mahlzeiten und regionale Spezialitäten anzubieten. Damit will FELFEL das gemeinsame Essen am Arbeitsort in einer entspannten Atmosphäre neu beleben.
Die Schweizer Gemeinschaftsgastronomie steht beim Service und bei der Qualität des Essens weltweit an der Spitze. Dies hat mit der wirtschaftlichen Stärke des Landes und dem hohen Lebensstandard zu tun, liegt aber auch in der Geschichte begründet. Schon früh haben sich hierzulande Pionierinnen der Gemeinschaftsverpflegung wie Else Züblin-Spiller und Susanna Orelli-Rinderknecht für eine gesunde, ausgewogene Ernährung eingesetzt und damit einen wichtigen sozialen Beitrag geleistet. Ihr Credo lautete: Gesellschaftliche Missstände lassen sich nicht durch staatliche Verbote aus der Welt schaffen, sondern durch bessere Angebote beheben. Weil die Gemeinschaftsgastronomie der Schweiz nie einseitig profitorientiert, sondern stets auch moralisch und wertebezogen motiviert war, haben sich deren Qualitätsbewusstsein und Innovationskraft bis heute erhalten.
Anna Grassler, Co-CEO, und Emanuel Steiner, Gründer von FELFEL.
Von der Vision zur Tat
Am jüngsten Kapitel in dieser spannenden Geschichte der schweizerischen Gemeinschaftsverpflegung schreibt das Start-up-Unternehmen FELFEL mit. Das Gründerpaar, Emanuel und Daniela Steiner, hat in der Beratungs- und Finanzbranche gearbeitet und bemerkt, dass viele Betriebe keine attraktive Verpflegungsmöglichkeit anbieten. Deshalb essen die Mitarbeitenden oft auswärts und alleine. «Essen ist für mich mit Genuss, Gemeinschaftlichkeit und Lebhaftigkeit verbunden», betont Emanuel Steiner, dessen familiäre Wurzeln in Persien liegen. Gemeinsam mit seiner Frau erkennt er einen Bedarf für frisches und gesundes Essen in Unternehmen und Betrieben ab 25 Mitarbeitenden, die über kein eigenes Personalrestaurant verfügen oder flexible Arbeitszeiten haben. 2014 setzen die beiden ihre gastronomische Vision in die Tat um und gründen ihr Unternehmen mit dem persischen Namen FELFEL, was auf Deutsch Pfeffer bedeutet. Das Essensangebot soll preiswerter als in den Personalrestaurants, vielfältiger als ein Take-Away, schneller verfügbar als im Restaurant und vor allem auch rund um die Uhr erhältlich sein. Mit dem FELFEL-Konzept besetzen Emanuel und Daniela Steiner eine Nische in der klassischen Personalverpflegung und vollbringen eine Pioniertat in der Schweiz. Sie kreieren ein Personalrestaurant en miniature, bestehend aus einem ansprechend designten, in Holz eingefassten Kühlschrank, der mit frischen Mahlzeiten, Getränken und Snacks gefüllt und bei den Kunden in Büros, Spitälern, Schulen und produzierenden Betrieben aufgestellt wird. Die Mitarbeitenden können dann mit der FELFEL-App oder dem Badge ihre Gerichte oder Zwischenverpflegung beziehen, die Zahlungsmittel sind im Online-Konto hinterlegt. Anschliessend werden die Speisen kalt gegessen oder individuell erwärmt. Hinter dieser Kühlschrankidee stecken viel Gedankenarbeit, fachliches und technologisches Know-how sowie die Überzeugung der FELFEL-Gründer und ihrer Mitarbeitenden, dass sich der Kühlschrank als Blickfang und Anziehungspunkt inspirierend auf die Essenskultur und positiv auf die Arbeitsatmosphäre auswirkt.
«Die zwei Hälften unseres Erfolgs: Begeisterung für gutes Essen und raffinierte Technologie.»
Emanuel Steiner, Gründer und Co-CEO von FELFEL
Dezentral, partnerschaftlich und frisch
FELFEL arbeitet eng und partnerschaftlich mit den Zulieferern zusammen und wählt dafür regionale Familienbetriebe und innovative Start-ups aus. Ebenso dezentral werden die Mahlzeiten von verschiedenen kreativen Köchinnen und Köchen für FELFEL täglich frisch und aus saisonalen und regionalen Zutaten zubereitet. Die Auslieferung zur Kundschaft erfolgt indes zentral vom Hauptsitz im Zürcher Binzquartier. Desserts, Snacks und gesunde Getränke runden das Angebot ab, das im Wochentakt wechselt. Wo körperlich härter gearbeitet wird, werden gewöhnlich mehr kalorienreiche Gerichte nachgefragt. «Wir versuchen, graduell immer mehr vegetarische Gerichte anzubieten, gehen dabei aber pragmatisch vor», erläutert Anna Grassler, die seit Anfang 2022 gemeinsam mit Emanuel Steiner CEO von FELFEL ist. Die Betriebswirtin hat sich auf Social Entrepreneurship spezialisiert und arbeitet seit sechs Jahren für FELFEL, wo sie das Corporate Partnerships Team aufgebaut und geleitet hat. Was Anna Grassler antreibt, ist das Unternehmertum: «Ich möchte etwas aufbauen, die Teams betreuen und fördern sowie eine gute Arbeitsatmosphäre schaffen.» Partner von FELFEL sind in der Deutschschweiz zum Beispiel die Käserei Saaländ, das Kochduo «Paul und Lulu», das vegetarische Restaurantunternehmen Tibits oder das Start-up Planted, das pflanzenbasiertem Fleisch zum Durchbruch verhelfen will. In der Westschweiz arbeitet FELFEL unter anderem mit dem Käse- und Fleischproduzenten Gruyères, dem Waadtländer Restaurant Le Chalet oder dem innovativen Getränkehersteller Super Natural Club zusammen. Sechs Foodscouts spüren frühzeitig neue Trends auf, entwickeln Rezepte und stellen sicher, dass alle FELFEL-Angebote dem hohen Qualitätsanspruch genügen und gut verträglich und gesund sind. Ebenfalls pflegt FELFEL einen regelmässigen Austausch mit ihren Kundinnen und Kunden: Um deren Rückmeldungen kümmert sich das fünfzehnköpfige «Customer Happiness Team», es sorgt auch dafür, dass die Inputs und Anliegen in die Optimierung des Angebots einfliessen.
Impressionen vom FELFEL-Firmensitz in Zürich.
Stürmisches Wachstum und erste Auszeichnungen
Der erste FELFEL-Kühlschrank wird 2014 aufgestellt, mittlerweile sind es über 800. Ebenso beachtlich ist die Entwicklung vom kleinen Start-up zu einem Unternehmen mit mehr als 100 zumeist weiblichen Angestellten. Seit 2018 ist FELFEL auch in Lausanne stationiert, wo sich die Zahl der Mitarbeitenden und die Bürofläche jüngst verdoppelt haben. Seit der Gründung hat FELFEL vier bedeutende KMU-Preise gewonnen: 2017 erhält es den «Best Start-up Award» des Swiss Economic Forum, 2018 das Qualitätslabel «SEF High Potential» und im selben Jahr bei Ernst & Young den Preis «Emerging Entrepreneur». 2019 schliesslich wird FELFEL «Top Employer» in der Romandie. Heute gehören Firmen wie der Autoimporteur AMAG, das Bauunternehmen Losinger Marazzi, die Immobiliendienstleisterin HRS, die Anwaltskanzlei Schellenberg Wittmer, das Chemie- und Pharmaunternehmen Bayer oder der Aviatikdienstleister Swissport zu den Kunden von FELFEL.
Nachhaltigkeit ist für Emanuel und Daniela Steiner von zentraler Bedeutung. Die Verschwendung von Nahrungsmitteln ist eines der grossen Probleme in der Gastronomie. Emanuel Steiner sieht den entscheidenden Hebel zur Verminderung von Foodwaste in der Technologie. Deshalb hat er ein IT-Programm entwickelt, um alle FELFEL-Kühlschränke mit der Zentrale zu vernetzen: Jedes Mal, wenn jemand eine Mahlzeit herausnimmt und dafür bezahlt, wird der Bestand des Kühlschranks aktualisiert. So können die FELFEL-Mitarbeitenden überwachen, wann nachgefüllt werden muss und welche Mahlzeiten beliebt sind. Dank dieser hohen Vernetzung und Datenqualität kann FELFEL die Mischung und Menge der wöchentlich wechselnden 25 Mittagsgerichte in den Kühlschränken besser steuern und damit auch die Logistik optimieren. Daraus ergibt sich ein dreifacher Gewinn, erläutert Emanuel Steiner: «Die Mitarbeitenden in den Firmen erhalten das Essen, das ihnen schmeckt. Wir können gezielter liefern, produzieren weniger Abfälle und erreichen damit einen positiven Effekt für die Umwelt.» Anna Grassler betont, der Foodwaste von FELFEL liege deutlich unter dem Branchenschnitt. Zusätzlich arbeitet das Unternehmen mit der Schweizer Tafel zusammen und spendet übriggebliebene Lebensmittel an bedürftige Menschen. Um Verpackungsmüll so weit wie möglich zu vermeiden, verwendet FELFEL für die Menüs Plastikverpackungen, die vollständig rezyklierbar sind. Diese können nach dem Essen in spezielle Recyclingbehälter geworfen werden. FELFEL leert diese regelmässig und bringt sie mit dem Biogas-Auto zu Recycling-Partnern.
2021 hat FELFEL ein neues Geschäftsfeld erschlossen: Neben den Kühlschränken bietet das Unternehmen einen Rundumservice für die eigene Kaffeemarke «Gavetti» in Barista-Qualität an. Die Bohnen stammen von kleinbäuerlichen Kooperativen aus Peru, Nicaragua und Honduras, werden fair gehandelt und sind bio-zertifiziert. FELFEL stellt die vollautomatischen Siebträger-Kaffeemaschinen in den jeweiligen Büros auf und sorgt dafür, dass sie rund um die Uhr einsatzbereit sind. Ausser mit Kuhmilch können die Kaffeespezialitäten auch mit veganer Hafermilch zubereitet werden. Die Kunden erhalten statt Papierbechern italienische Porzellantassen. Der Kaffeesatz aus den Gavetti-Kaffeemaschinen wird abgeholt und kompostiert, um daraus Biogas herzustellen. Wie die FELFEL-Kühlschränke soll auch der Gavetti-Kaffee einen positiven Einfluss auf die Firmenkultur der Kundschaft ausüben. Dafür engagiert sich Anna Grassler als Co-CEO mit Interviews und Gesprächen in Form von Podcasts persönlich, u.a. mit der Unternehmerin Anna Hug, Co-Leiterin des gleichnamigen Backwarenherstellers.
Rundumservice für Kaffee «Gavetti».
Ein Angebot für die Arbeitswelt der Zukunft
FELFEL nutzt geschickt die digitalen Möglichkeiten, um die Logistik zu optimieren, arbeitet datengetrieben und prozessgesteuert. Besonders erfolgreiche Gerichte lassen sich in Echtzeit identifizieren, was das künftige Angebot beeinflusst. Gleichzeitig verlässt sich die Mitgründerin Daniela Steiner nach wie vor stark auf ihre Intuition: «Es geht darum, die Zusammenhänge, Emotionen und Erfahrungen im Hirn irgendwie zu verknüpfen – eben den Link zu machen.» Damit ist FELFEL ein gutes Beispiel, wie sich Digitalisierung und Emotionen positiv auf ein Unternehmen auswirken: «Die eine Hälfte des FELFEL-Erfolgs verdanken wir unserer Begeisterung für gutes Essen, die andere Hälfte unserer raffinierten Technologie», sagt Emanuel Steiner. Er fokussiert sich als Co-CEO auf die strategische Ausrichtung von FELFEL, während Anna Grassler dem gesamten Team vorsteht und für die Bereiche operatives Geschäft, Wachstum, Kundenbeziehungen, allgemeines Management sowie Unternehmenskultur verantwortlich ist.
In welche Richtung sich die Bürokultur verändert, lässt sich auch am Zürcher Sitz von FELFEL erkennen. Die lichten Räume mit viel Glas und Holz schaffen Wärme und Transparenz, die grosszügige Begegnungszone mit Holztischen, einer stylishen Kaffeebar und offener Küche wirken einladend wie der Showroom eines erfolgreichen Youtubers. «In der heutigen Arbeitswelt gibt es mehr Freiheit in Ort und Zeit als noch vor wenigen Jahren», beobachtet Anna Grassler. Die Corona-Pandemie hat einen Digitalisierungsschub ausgelöst, und für viele Menschen ist das hybride Arbeiten zum Alltag geworden. Sie gehen nicht mehr ins Büro, weil sie müssen, sondern um sich gezielt mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen.
Impressionen vom FELFEL-Firmensitz in Zürich.
Damit Unternehmen bessere Gastgeber werden
Vor diesem Hintergrund sind viele Firmen gefordert, ihren Mitarbeitenden optimale Möglichkeiten der Begegnung zu bieten und so die Kreativität und Zusammengehörigkeit zu fördern, stellt Anna Grassler fest. «Doch die Anzahl der Anwesenden wird weniger gut planbar, und ein festes Personalrestaurant lohnt sich unter Umständen bei kleineren Firmen nicht mehr.» Das flexible Angebot von FELFEL bietet in dieser Transformation der Arbeitswelt eine interessante Alternative. «Mit unseren nachhaltigen und schmackhaften Mahlzeiten können sich die Firmen als attraktive Arbeitgeber positionieren, die ihren Angestellten etwas Besonderes bieten.» Statt mittags in der Schlange des Take-Aways zu stehen, treffen sich die Mitarbeitenden am FELFEL-Kühlschrank und am gemeinsamen Esstisch. Gerade die Generation der Millennials hat einen höheren Anspruch an eine gute Work-Life-Balance, an eine Arbeit, die sinnhaft ist und ihnen persönliche Erfüllung bietet. «FELFEL und Gavetti spielen dabei eine wichtige Rolle», betont Anna Grassler. «Wir wollen mit unseren gastronomischen Angeboten auch die Unternehmen und Betriebe dazu inspirieren, bessere Gastgeber zu sein.»
Autor: Bernhard Ruetz
Kollaborativ.Transformativ.Nachhaltig.
Zehn Schweizer Unternehmen und ihre Geschichten,
herausgegeben von Bernhard Ruetz und Thomas Streiff,
Verlag Ars Biographica, Humlikon 2023/24.
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