Bernhard Ruetz

Dr. Bernhard Ruetz
Wirtschaftshistoriker, Autor
und Inhaber des Verlags Ars Biographica.

Crisis? What Crisis?

Das Plattencover der Musikband Supertramp aus dem wirtschaftlichen Krisen­jahr 1975 ist legendär: Unter dem Titel «Crisis? What Crisis?» sitzt ein Mann ganz entspannt in Badehose und mit Sonnenbrille im Liegestuhl, unter einem gelben Sonnenschirm, auf dem Tisch ein Drink, auf dem Boden ein Transistorradio. Dabei ignoriert er komplett die apokalyptische Industriewüste mit rauchenden Kaminen, heruntergekommenen Häusern und Dauerregen um ihn herum. Diese symbolische Szenerie hat nichts an Aktualität verloren: Auch beim Thema Nachhaltigkeit ist gegenwärtig eine gewisse Müdigkeit und Gleichgültigkeit zu spüren, viele Menschen scheinen sich schicksalsergeben mit dem Klimawandel abgefunden zu haben. Statt einer Umkehr im Verhalten geht es oft darum, die Folgen abzufedern. So befinden wir uns in einer Art Neobiedermeier, dessen Zauberworte Anpassungsfähigkeit oder Resilienz heissen. So ist Nachhaltigkeit oftmals zum «Hygienefaktor» verkommen, man engagiert sich, weil man muss, aber ohne inneres Feuer und ohne wirkliche Wirkung. Um sich nicht dem Vorwurf des «Greenwashings» auszusetzen, folgt zuweilen sogar das «Greenhushing», das bewusste Verschweigen von Nach­haltigkeits­initiativen aus Angst vor Kritik.

Fundamentale Transformation
Doch dem Klima sind solche Befindlichkeiten egal, es wandelt sich im Zeitalter der fossilen Brennstoffe weiterhin massiv. Schon rücken die «Tipping Points» in den Fokus, nach deren Kippen eine unaufhaltsame Ketten­reaktion in Gang gesetzt werden könnte, mit weitreichenden Folgen für Flora, Fauna und nicht zuletzt für die Menschen. Gleichzeitig befindet sich die Weltwirtschaft inmitten einer fundamentalen Transformation: Die Digitalisierung und insbesondere die Künstliche Intelligenz revolutionieren Märkte, Absatz­kanäle, Produktionsmethoden und Kundenbeziehungen. Ob dies sich im Sinne der Nachhaltigkeit als positiv oder negativ auswirkt, ist noch offen, wie es das Experteninterview mit Dr. Christian H. Hoffmann in diesem Buch zeigt.

Während die Politik zaudert, sind in der Wirtschaft Kräfte der Veränderung längst am Werk. Immer mehr Unternehmen haben erkannt, dass ein sorgsamer Umgang mit den Ressourcen und eine wertebezogene Firmenkultur entscheidende Faktoren für den wirtschaftlichen Erfolg sind. Eine nachhaltige Unternehmensstrategie zahlt sich mehrfach aus, für die Eigentümer, die Mitarbeitenden, die Kunden und die Lieferanten eines Unternehmens, aber auch für die Wirtschaft und schliesslich auch für eine stabile Gesellschaftsordnung. Firmen mit kollaborativen Geschäftsmodellen und starken Partnerschaften sind für den Wandel am besten gerüstet: Sie sind nachhaltig im umfassenden Sinne des Wortes, denn ihre Beziehungen basieren auf Vertrauen und gemeinsamen Werten. So können sie ko-kreativ Veränderungen realisieren und damit nachhaltige Innovationen schaffen.

Beispiele aus der Unternehmenswelt
Im Mittelpunkt dieses Buches stehen zehn Schweizer Unternehmen, die beispielhaft sind für ein kollaboratives, transformatives und nachhaltiges Handeln. Es handelt sich um den dritten Band einer Reihe über Schweizer Unternehmen, die sich vertieft mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen und gerade deshalb innovativ und erfolgreich sind.

Die indonesisch-schweizerische Firma Koltiva unterstützt Kleinbauern bei effizientem, nachhaltigem Wirtschaften und schafft gleichzeitig für international tätige Firmen Transparenz in ihren Lieferketten – ein Thema, das vor dem Hintergrund der aktuellen EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten enorm an Aktualität gewonnen hat. Für den Zürcher Lebensmittelveredler und -händler Kündig ist Nachverfolgbarkeit «from farm to fork» bereits seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema. Er möchte mit hochwertigen und nachhaltig produzierten Rohstoffen einen Beitrag zu einer gesunden Ernährung leisten. Dieses Anliegen steht auch für das Start-up FELFEL im Zentrum: Über seine Kühlschränke stellt es nachhaltige und schmackhafte Mittagsmahlzeiten für Firmen bereit, auf Basis regionaler Lebensmittel. Regionalität ist auch für die Basellandschaftliche Kantonalbank BLKB ein wichtiges Stichwort, denn sie will dazu beitragen, die Region Baselland zukunftsfähig zu machen, mit diversen Initiativen, aber vor allem über nachhaltiges Handeln im Tages­geschäft.

Die Firma Geberit ist europäische Marktführerin für Sanitärprodukte. Sie richtet ihre Strategie seit mehr als 30 Jahren konsequent nach Aspekten der Nachhaltigkeit aus – und sieht dies als wichtigen Grund für ihren langfristigen Erfolg. Der traditionsreiche Haushaltsgerätehersteller V-ZUG geht noch einen Schritt weiter: Er möchte seine Kundinnen und Kunden zu nachhaltigem und umweltschonendem Verhalten im Alltag inspirieren. Die Firma maxon ist ­spezialisiert auf Antriebstechnik für kleine, hocheffiziente Antriebssysteme. Ihr nächster Meilenstein: Sie will führend in der digitalen Antriebstechnik werden und so einen Beitrag leisten für eine nachhaltige digitale Transformation. Die  Straumann Group, ein weltweit führendes Unternehmen in der ästhetischen Zahnmedizin, nutzt die neuen digitalen Möglichkeiten ebenfalls. Sie erzielt so  gemeinsam mit zahnmedizinischen Spezialistinnen und Spezialisten eine noch bessere Behandlungsqualität und damit Mundgesundheit.

Gemeinsam Lösungen finden, die nachhaltig funktionieren, das ist auch die Mission von Metron: Das Unternehmen positioniert sich mit einem interdisziplinären und partizipativen Geschäftsmodell an den Schnittstellen von Architektur und Raumentwicklung sowie Verkehrs-, Freiraum- und Landschafts­planung. Partizipation ist auch ein wichtiges Prinzip bei BHP, der Pionierin der Nachhaltigkeitsberatung in der Schweiz. Sie unterstützt seit vielen Jahren Unternehmen und Institutionen dabei, Nachhaltigkeitsthemen als Teil ihrer Strategie zu integrieren. So ist Nachhaltigkeit kein Muss, sondern wird zur Triebfeder für dauerhaften Erfolg und eine lebenswerte Zukunft.

Autor: Bernhard Ruetz

Kollaborativ.Transformativ.Nachhaltig. 
Zehn Schweizer Unternehmen und ihre Geschichten,
herausgegeben von Bernhard Ruetz und Thomas Streiff,
Verlag Ars Biographica, Humlikon 2023/24.

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