TRISA

Erfolgreich dank aussergewöhnlicher Mitarbeiterkultur

WER TRISA IST
Kambodschanische Reisbauern, Studenten aus Marokko oder bulgarische Geschäftsleute – sie alle putzen ihre Zähne mit Trisa-Zahnbürsten. Das Familienunternehmen aus Triengen (LU) produziert im Hochlohnland Schweiz, ist aber weltweit erfolgreich und vertreibt seine Produkte in 80 Ländern. 84 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet Trisa im Export, im Kerngeschäft Handzahnbürsten sind es sogar rund 96 Prozent.
1887 als Bürstenfabrik gegründet, produziert das Unternehmen seit 1903 auch Zahnbürsten, heute das mit Abstand wichtigste Produkt. In den Anfangsjahrzehnten bestehen die Zahnbürsten aus Naturborsten mit Holzgriffen, sie werden mit viel Handarbeit hergestellt und sind so wertvoll, dass sie von ganzen Familien genutzt werden. Heute sind sie Massenkonsumgüter des Alltags, hinter denen sich viel Hightech verbirgt. Trisa produziert in der Schweiz täglich 1 Million Exemplare. Ausserdem stellt die Trisa-Gruppe elektrische Zahnbürsten, Interdentalprodukte, Haarbürsten sowie elektronische Kleingeräte für die Gesundheits- und Schönheitspflege her. Sie erwirtschaftet 2018 mit rund 1100 Mitarbeitenden einen Jahresumsatz von rund 220 Millionen Franken.
Die Firma feierte 2017 ihr 130-Jahr-Jubiläum. Bereits in vierter Generation lenkt die Familie Pfenniger die Geschicke des Unternehmens. Der Betriebsökonom Adrian Pfenniger prägt als CEO die Marktstrategie. Sein Bruder, der ETH-Ingenieur Philipp Pfenniger, ist für Logistik, Produktion und die technischen Bereiche verantwortlich und präsidiert den Verwaltungsrat. Ihr Vater, Ernst Pfenniger-Unternährer, hat Trisa von 1967 bis in die 1990er-Jahre geleitet. «Keiner hat die einstige Bürstenfabrik mehr verändert als er», urteilen die Brüder. Als 25-Jähriger übernimmt Ernst Pfenniger den Betrieb in einer schwierigen Phase: «Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel», so Adrian Pfenniger. «Mein Vater war jung, er hatte wenig Erfahrung, aber viel Risikobereitschaft. Deshalb hat er mit alternativen Management-Methoden experimentiert und extrem mutig investiert.» Diese Strategie mit hohen Schulden bei gleichzeitig hohen Zinsen hätte auch im Konkurs enden können. Doch Ernst Pfenniger führt das Unternehmen zum Erfolg, weil er seine Mitarbeitenden nicht als Untergebene behandelt, sondern als Partner ernst nimmt. Diese partizipative Unternehmensphilosophie, so sind die Pfenniger-Brüder überzeugt, macht die Firma bis heute einzigartig.

Sie führen das Unternehmen gemeinsam: Adrian Pfenniger (links) ist CEO, sein Bruder Philipp Pfenniger ist VR-Präsident.

WAS SIE ANTREIBT
Trisa tut aus Überzeugung das, was viele andere Unternehmen nur in Sonntagsreden behaupten: Die Führung sieht eine gute Mitarbeiterkultur als entscheidenden Faktor, um am Markt zu bestehen. Ernst Pfenniger fasste bereits 1964 seine Philosophie so zusammen: «Was ist die Aufgabe des Unternehmers? Aus meiner Sicht soll er Arbeit schaffen und Freude an dieser Arbeit vermitteln. Wer mit Freude etwas tut, der leistet mehr.» Marketing-Chef Lukas Steiner konstatiert: «Diese Gedanken finden sich heute fast in jedem Management-Buch, aber in den 1960er-Jahren waren sie ungewöhnlich, ja geradezu revolutionär.» Ebenso ungewöhnlich ist, dass Trisa seit mehr als 50 Jahren konsequent auf den sogenannten «Trisa-Spirit» setzt. Die prägenden Grundwerte sind Offenheit, Solidarität und Menschlichkeit. So pflegt Trisa das «Führen durch Vorbild» ebenso wie den Respekt gegenüber unterschiedlichen Standpunkten, die kontinuierliche Verbesserung und das Prinzip «Führung ist Kommunikation – und Kommunikation ist Motivation». Das bedeutet nicht, dass bei Trisa alles immer nur eitel Sonnenschein wäre. Aber man geht mit Konflikten anders um, wie Ernst Pfenniger 1987 in Bezug auf kritische Mitarbeiter erläutert hat: «Die unbequemsten, diejenigen, die alles infrage stellen, sind oft die wertvollsten Mitarbeiter. Zwar kosten sie Kraft und Zeit, aber sie bedeuten Fortschritt.» CEO Adrian Pfenniger fasst es so zusammen: «Wir wollen kein Gegeneinander zwischen Arbeit und Kapital, sondern ein Miteinander. Doch unser System der Mitbeteiligung kann nur funktionieren, wenn das ganze Team vertraut, dass wir es ernst meinen. Und dieses Vertrauen entsteht nur über die Zeit. Mitarbeiterkultur muss sich deshalb langfristig entwickeln.» Ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig zu sein, das ist das Anliegen und der Anspruch der Pfenniger-Brüder. Dass sie diesem gerecht werden, zeigt die Auszeichnung «Family Business Award 2012», der erste Familienunternehmenspreis der AMAG.

«Begeisterte Mitarbeiter schaffen begeisterte Kunden.»

Adrian Pfenniger, CEO

WAS SIE ANDERS MACHEN
Bei Trisa gelten die Mitarbeitenden als «Mitunternehmer und Partner, die am gemeinsamen Unternehmenserfolg partizipieren». Das gilt für alle Hierarchiestufen: Bereits in den 1960er-Jahren hat Ernst Pfenniger den damals üblichen Akkordlohn in der Produktion abgeschafft, die Selbstverantwortung seiner Mitarbeiter gefördert und ihnen eine aktive Mitwirkung an der unternehmerischen Entwicklung ermöglicht. Jeder Trisa-Mitarbeiter ist seit 1972 auch Aktionär des Unternehmens. Die Mitarbeitenden stellen die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsrats, darunter finden sich zum Beispiel ein Sachbearbeiter aus dem Verkaufs-Innendienst oder eine Mitarbeiterin aus der Produktion. Jeder «Trisaner» bekommt bei gutem Geschäftsgang zum Ende des Jahres eine Jahresprämie direkt aus den Händen der Geschäftsleitung. Auch in der «Meine Trisa»-Kommission mit Vertretern aus allen Unternehmensbereichen nehmen die Angestellten Einfluss. Dass Trisa die Teilhabe ernst meint, lässt sich daran erkennen, dass die Geschäftsleitung in Stelleninseraten z.B. einen «Logistiker und Mitinhaber» sucht. Ein Börsengang ist für Trisa keine Option. «Wir könnten unsere Werte wohl nicht mehr so konsequent umsetzen.» Statt Shareholder-Value setzt Trisa auf die Mitarbeitenden als Stakeholder. Und so ist es folgerichtig, dass es jedes Jahr im Anschluss an die Generalversammlung ein Fest für die Mitarbeitenden und ihre Partner gibt. Trisa befragt ihre Mitarbeiter regelmässig nach ihrer Zufriedenheit und nach Verbesserungspotenzial, bietet Seminare zu Themen wie Sozialkompetenz und Motivation an oder lanciert Projekte zur Gesundheitsförderung. Als Zeichen der Wertschätzung lädt die Geschäftsleitung ihre Pensionäre mehrmals jährlich zu Anlässen ein, so Steiner: «Sie haben vieles geleistet für das Unternehmen, wir wollen ihnen etwas zurückgeben.» Adrian Pfenniger sieht es als Kompliment, dass viele Familien bereits in der zweiten oder dritten Generation für Trisa arbeiten: «Es geht eben nicht darum, möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen, und zwar mit möglichst wenig Leuten – sondern im Gegenteil: Wir entwickeln uns nachhaltig, sodass es auch noch für die nächste Generation eine interessante Aufgabe gibt.»
Trisa versteht sich zudem als «lernende Gemeinschaft», die sich ständig verbessert und nach neuen Lösungen sucht. Deshalb haben Aus- und Weiterbildung einen hohen Stellenwert. Ausserdem ist Trisa bestrebt, die Kreativität und die Kompetenz ihrer Mitarbeitenden so gut wie möglich zu fördern. Jeder hat die Möglichkeit, Verbesserungen in Bezug auf Produkte, Prozesse, Arbeitsplatz, Technologie oder Soziales einzubringen. Diese Vorschläge werden im «Ideenpass» eingetragen und belohnt. Ein Teil der Mitarbeitenden arbeitet darüber hinaus in einem der je fünf interdisziplinären Innovations- oder Technologiezirkel und Fachgruppen mit. Sie erhalten konkrete Aufgaben, etwa: «Wie sieht die ideale Zahnbürste für Senioren aus?» Auch Anregungen der Kunden und Partner sowie der Austausch mit Universitäten und medizinischen Fachleuten fliessen in die Entwicklung neuer Produkte ein. Anschliessend haben alle Mitarbeitenden die Möglichkeit, die «Frage des Monats» zu beantworten. Sie entsteht aus den Inputs der verschiedenen Ideenzirkel und dient dazu, neue Ideen kritisch zu diskutieren und Lösungen zu finden. Insgesamt, so Adrian Pfenniger bietet Trisa den Mitarbeitenden immer wieder «Freiräume, wo Leute experimentieren und etwas entwickeln können». Als Ergebnis hält Trisa rund 1000 Patente und Designanmeldungen.

Trisa lebt das Prinzip der Mitbeteiligung.

WARUM ES SICH LOHNT
Nur dank der fest verankerten Unternehmenskultur ist Trisa erfolgreich, sind die Pfenniger-Brüder überzeugt. Dahinter steht das Motto: «Begeisterte Mitarbeiter schaffen begeisterte Kunden.» Nur wer sich im Unternehmen wohlfühle und mit Begeisterung an seine Aufgabe herangehe, könne auf Dauer hervorragende Leistungen erbringen und so zum langfristigen Erfolg beitragen. Damit diese Freude aufkommt, braucht es Grundwerte wie etwa Konstanz, Freiräume und Vertrauen, sagt Adrian Pfenniger. «Und wir ziehen Leute an, die diese Werte teilen. Auch deshalb haben wir nur 3 bis 4 Prozent Fluktuation.» Jungen Leuten rät er jeweils, die Kultur eines Unternehmens zu erspüren. «Wenn diese nah an der eigenen ist, dann fühlt man sich wohl.» Die erhöhte Transparenz durchs Internet und das stärkere Bewusstsein der Konsumenten für ethische Fragen sorge dafür, dass die Trisa-Unternehmensphilosophie noch stärker zum Vorteil werde: «Denn die Kunden wollen wissen, wer hinter dem Produkt steht.» Ohnehin pflege Trisa seit jeher eine Kultur der Offenheit, so Pfenniger: «Wir publizieren seit Jahrzehnten unsere Ergebnisse, weil wir überzeugt sind, dass das Vertrauen schafft. Ebenso ist Trisa in der Region sehr gut verankert – «so kann man sich schnell und gut austauschen. Man kommt vorwärts und ist nicht blockiert.» Auch intern ist man sehr transparent, jeder Mitarbeiter, unabhängig von der Hierarchie, wird über die aktuellen Kennzahlen des Unternehmens informiert.
Wer auf dem dynamischen Weltmarkt für Mundhygiene bestehen will, muss Spitzenleistungen erbringen. «Ein Drittel unserer Produkte sind Innovationen», sagt Pfenniger dazu. «Dank unserem konsequenten Innovationsmanagement können wir uns technisch stetig weiterentwickeln und unserem Anspruch nach Technologieführerschaft gerecht werden.» Trisa sei ein attraktiver Anbieter, «der weltweite Trends setzt und an der Front der Entwicklung mit dabei ist.» Trisa sucht nach Wegen, um die Vorteile des Standorts Schweiz zu nutzen und die Nachteile möglichst elegant zu umschiffen. Deshalb hat das Unternehmen bereits vor 20 Jahren japanische Logistikmodelle eingeführt – «wir müssen nicht nur bei unseren Produkten innovativ sein, sondern auch in den Abläufen und in den Produktionsverfahren.» Auch hier zahlt sich die starke Mitarbeiterkultur aus. Ein Beweis für die hochmodernen Prozesse ist, dass Trisa zu den Unternehmen mit der höchsten Dichte an Industrierobotern in der Schweiz gehört. Schliesslich kann Trisa als bewusst nicht börsenkotiertes Unternehmen freier investieren – und nachhaltiger arbeiten: «Der Weg, den Trisa eingeschlagen hat, steht anderen ebenfalls offen», sagt Adrian Pfenniger. «Was wir machen, ist prinzipiell überall möglich. Allerdings muss es zur Kultur des jeweiligen Unternehmens passen, man muss es pflegen und glaubwürdig vorleben.»

Bernhard Ruetz: Ethisch. Nachhaltig. Erfolgreich. 
Zehn Schweizer Unternehmen und ihre Geschichten
Verlag Ars Biographica, Humlikon 2018. Aktualisierte Version vom November 2019.
© Ars Biographica. Alle Rechte vorbehalten