SV GROUP

Gesunde Ernährung in der Gemeinschafts-Gastronomie

WER DIE SV GROUP IST
Fast jeder Schweizer ist schon bei der SV Group zu Gast gewesen: Er hat als Student in der ETH-Mensa diskutiert, seinen Lunch im Mitarbeiter-Restaurant eines Grossunternehmens eingenommen, hat beim Messebesuch einen Kaffee getrunken oder in einem «Courtyard by Marriott»-Hotel übernachtet. 1914 gegründet, ist die SV Group die älteste und traditionsreichste unter den grossen Caterern Europas und die führende Anbieterin für Personalgastronomie in der Schweiz. In 328 Personalrestaurants und Mensen serviert das Unternehmen jährlich 22 Millionen Hauptmahlzeiten. Unter anderem betreibt die SV Group die Restaurants der Swisscom, der Schweizer Post oder der Weltgesundheitsorganisation WHO. Bis in die jüngste Zeit ist das Unternehmen als Verein organisiert gewesen. 1999 folgt die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit der SV Stiftung als Mehrheitsaktionärin. 2003 wird eine Holdingstruktur mit verschiedenen Geschäftsfeldern geschaffen. An der Spitze der SV Group steht heute Patrick Camele (*1965). Er kennt die Gastronomie von der Pike auf, kellnert er doch bereits als Gymnasiast und finanziert sich so später auch sein Betriebsökonomie- Studium. Als Manager in der Lebensmittel-Industrie arbeitet er in der Schweiz, in Deutschland und in Schweden. Nach der Geburt seines dritten Kindes nimmt Patrick Camele anderthalb Jahre Vaterschaftsurlaub und nutzt die Zeit für eine berufliche Neuorientierung. 2010 wird er CEO der SV Group Schweiz, ab 2012 Gruppen-CEO.

Patrick Camele ist seit 2012 CEO der SV Group.

WAS SIE ANTREIBT
Die SV Group ist 1914 gegründet worden, um den Schweizer Soldaten im Ersten Weltkrieg eine gesunde Alternative zum Besäufnis in der Dorfbeiz zu bieten. In den vergangenen gut 100 Jahren hat sich das Aufgabenfeld immer wieder verändert, doch ihrem Leitgedanken ist die SV Group stets treu geblieben: Das tut sie nicht durch Verbote, sondern durch bessere Angebote.
Die Gründerin der SV Group, Else Züblin-Spiller, kommt 1881 in Winterthur als Arbeitertochter zur Welt, wächst in Zürich auf und arbeitet zunächst als Verkäuferin und Kellnerin. Dann macht sie ihr Schreibtalent zum Beruf und wird eine sozial engagierte Journalistin. Sie reist in die europäischen Grossstädte und schreibt über Elendsviertel, Randständige, Alkoholiker und Prostituierte. Als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, fokussiert Else Züblin-Spiller ihr Engagement auf die Nöte der Soldaten und ihrer Familien. Zehntausende von Wehrmännern leisten ihren Dienst an der Grenze, sie sind in improvisierten Unterkünften einquartiert und werden mager besoldet. Ein grosses Problem ist der grassierende Alkoholkonsum. Denn in der dienstfreien Zeit gibt es für die Wehrmänner praktisch keine andere Möglichkeit, als sich in der Dorfbeiz zu betrinken. Deshalb gründen engagierte Frauen aus der Abstinenzlerbewegung den «Schweizer Verband Soldatenwohl». Die Idee: Sie wollen sogenannte Soldatenstuben einrichten und betreiben, wo sich die Wehrmänner in einer alkoholfreien Umgebung gut verpflegen, Karten schreiben oder jassen können.

«Make the healthy choice the easy choice.»

Patrick Camele, CEO

Else Züblin-Spiller wird zur Leiterin des SV ernannt und richtet in kürzester Zeit zahlreiche Soldatenstuben entlang der Grenze ein, bis zum Kriegsende sind es mehr als 1000. Dafür werden Schulzimmer, Tanzsäle, Scheunen oder gar Hühnerställe umfunktioniert. In den Soldatenstuben serviert jeweils eine «Soldatenmutter » Kaffee, Tee und Kuchen, aber auch warme Speisen zu moderaten Preisen. So bietet der SV den Soldaten eine sinnvolle Alternative zum Alkoholkonsum und leistet einen wichtigen Beitrag zur Volksgesundheit im Ersten Weltkrieg. Zugleich fördert Else Züblin-Spiller pragmatisch, aber sehr wirkungsvoll die Emanzipation. Denn mit dem Konzept der Soldatenstuben überschreitet sie die Trennlinie zwischen sozialer Freiwilligenarbeit und professioneller, bezahlter Sozialarbeit.
Als der Krieg vorbei ist, lösen sich die meisten Soldatenstuben auf und der SV verlagert sein pionierhaftes Engagement in den zivilen Bereich, eröffnet Firmenkantinen und wird in der Arbeiterwohlfahrt aktiv. Entsprechend ändert sich auch der Name von Verband Soldatenwohl zum Schweizer Verband Volksdienst, kurz «SV». Erneut ist es das Anliegen, möglichst vielen Menschen eine gute Ernährung zu bieten und so zur Gesundheit der Bevölkerung beizutragen. Statt – wie damals oft üblich – sein mitgebrachtes Essen im Schatten der Maschinen zu verzehren, sollen die Arbeiter bequem in einem sauberen Mitarbeiterrestaurant sitzen können und ein ausgewogenes Menü erhalten. Mit diesem Konzept avanciert der SV zum schweizweit führenden Unternehmen der Gemeinschaftsgastronomie. Gesunde Ernährung bleibt auch in den folgenden Jahrzehnten ein wichtiges Anliegen des SV. Neue ernährungsphysiologische Erkenntnisse fliessen alsbald in die Menüs der Kantinen und Mensen ein. Die Fortbildung der Mitarbeitenden hat von Anfang an einen hohen Stellenwert. Nach Else Züblin ist Susy Brüschweiler die zweite prägende Figur im Unternehmen. Sie baut in den 1990er-Jahren den traditionsreichen Verein zu einem modernen und schlagkräftigen Dienstleistungsunternehmen um. Gemeinsam mit dem langjährigen VR-Präsidenten und Nachhaltigkeitsexperten Ernst A. Brugger führt sie die SV Group erfolgreich über die Schwelle zum 21. Jahrhundert.

Die SV Group setzt auf Fleisch aus tierfreundlicher Haltung.

WAS SIE ANDERS MACHEN
Bei der SV Group will man niemandem sein «Schnipo» verbieten. Wie schon damals bei den Soldatenstuben will das Unternehmen die Gäste durch gesunde Alternativen überzeugen. Diese sollen gleichzeitig besser schmecken: «Make the healthy choice the easy choice», betont Patrick Camele. Zwar gibt es speziell ausgewiesene Gesundheitsmenüs. Doch bei allen Gerichten haben die Köche der SV Group den Anspruch, sie so gesund wie möglich zuzubereiten. Dazu gehört, dass sie mit Rapsöl kochen, Salatsaucen ohne Mayonnaise anmachen und beim Salz sparen. Kein Gast wird zum Körnerpicken gezwungen. Wohl aber wird er motiviert, sich gesundheitsbewusster zu ernähren, beispielsweise beim Thema Zucker. Weil Softgetränke relativ viel davon enthalten, stehen sie in den SV-Restaurants unten im Kühlschrank, während Mineralwasser und aromatisiertes Wasser die attraktiven Plätze in Augenhöhe einnehmen. So konnte die SV Group in der Schweiz den Wasserverkauf deutlich steigern und den Konsum der Süssgetränke zwischen 2012 und 2015 um 12 Prozent senken. Dass die Softgetränke- Hersteller daraufhin ihre Gratis-Kühlschränke wieder abgeholt haben, sieht Camele entspannt. Ohnehin bieten 95 Prozent der SV Restaurants Gratis-Hahnenwasser an. Ein anderer kleiner Trick für weniger Zuckerkonsum ist, dass die Zuckersticks von 5 auf 4 Gramm reduziert wurden. So spart das Unternehmen im Jahr 11,5 Millionen Würfelzucker ein – und die Gäste profitieren.
Gesunde Ernährung sollte früh erlernt werden und ist für Kinder besonders wichtig. Deshalb bekocht die SV Group Schweiz mit «Meals for Kids» mehr als 100 Schulen, Kitas und Kindergärten «gesund und gluschtig». Seit 2014 ist das Unternehmen ausserdem Partnerin der vom Bundesamt für Gesundheit getragenen Initiative «actionsanté». Auch die Unternehmensinhaberin, die SV Stiftung, verfolgt die Mission «Gesunde Ernährung für alle» und unterstützt Projekte wie das Schulprogramm «Gorilla» für ein gesundes Körpergewicht, die Schweizer Tafel, Community Cooking verschiedener Kulturen oder eine Studie zu Mahlzeitendiensten für Senioren.
Seit 2013 engagiert sich die SV Group Schweiz ausserdem im Rahmen des Programmes «One Two We» für eine nachhaltige Ernährung, unterstützt vom Projektpartner WWF. Nachhaltigkeit steht für Patrick Camele auf drei Pfeilern. Erstens strebt er eine Senkung des CO2-Ausstosses an. Deshalb kocht das Cateringunternehmen nun verstärkt mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Flugware wie Erdbeeren im November wird so weit wie möglich vermieden. Zweitens möchte Patrick Camele den Fleischverbrauch seiner Betriebe reduzieren, denn die Produktion von Fleisch benötigt erheblich viele Ressourcen – ausserdem gilt ein hoher Fleischkonsum als ungesund. 500 Köchinnen und Köche hat Camele zum Vegi-Pionier Hiltl in Kochkurse geschickt: «Wer vegetarisch kochen kann, wird auch in der Fleischküche kreativer und vielseitiger», erläutert Camele. Drittens hat sich der CEO der SV Group zum Ziel gesetzt, dass bis Ende 2019 80 Prozent des verwendeten Fleisches aus tierfreundlicher Haltung stammen sollen.
Anfang 2018 hat die SV Group bei allen drei Nachhaltigkeitszielen Erfolge erzielt: Es ist ihr gelungen, den CO2-Ausstoss um 10 Prozent zu senken. Gleichzeitig ist der Fleischkonsum der SV-Gäste in dieser Zeit ebenfalls um 10 Prozent zurückgegangen. Was dabei für Patrick Camele stets wichtig ist: «Wir wollen unsere Gäste nicht gängeln, sondern sie häufiger für vegetarische Gerichte begeistern. Denn nachhaltige Ernährung ist sehr oft auch leicht und gesund. Und das wissen immer mehr Gäste zu schätzen.» In Sachen Tierschutz sind ebenfalls erste Meilensteine gesetzt: Ende 2017 stammen bereits 50 Prozent des Fleisches aus tierfreundlicher Haltung. Dank optimierter Logistik kann die SV Group diese Verbesserung ohne Preisaufschläge realisieren. Im Saldo arbeitet bereits die Hälfte der SV-Betriebe mittlerweile nachhaltig – «das macht mich stolz.»

WARUM ES SICH LOHNT
Für Patrick Camele ist gesunde, nachhaltige Ernährung eine Sache der persönlichen Überzeugung. Und auch aus strategischer Sicht ist das Engagement sinnvoll, denn eine verantwortungsvolle Ernährung wird nicht nur für die Firmenkunden, sondern auch für die Restaurantgäste immer wichtiger. Auch wenn die Umstellung auf Nachhaltigkeit und die Auswahl hochwertiger, gesunder Lebensmittel Geld kostet: Patrick Camele und sein VR-Präsident Silvio C. Gabriel sind überzeugt, dass sich das Investment ökonomisch lohnt. «Weil wir jetzt genauer wissen wollen, woher unsere Lebensmittel kommen, kennen wir unsere Wertschöpfungskette viel besser als zuvor und können unsere Prozesse optimieren.» Ausserdem ist das Repertoire der Restaurants vielfältiger geworden. «Die Gäste sind zufriedener und nehmen heute unser Angebot als schöner und besser wahr.» Unter diesen Rahmenbedingungen fühlen sich auch die Mitarbeitenden wohl – «viele sind stolz, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren. Dieses Commitment macht den Unterschied und ist spürbar, auch für den Gast im Restaurant oder im Hotel.»

Bernhard Ruetz: Ethisch. Nachhaltig. Erfolgreich. 
Zehn Schweizer Unternehmen und ihre Geschichten
Verlag Ars Biographica, Humlikon 2018. 
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