PRECIOUS WOODS
Den Regenwald schützen durch nachhaltige Bewirtschaftung
WER PRECIOUS WOODS IST
Der tropische Regenwald ist bedroht – mehr als die Hälfte der ursprünglichen Gebiete ist seit 1950 bereits gerodet worden. Und der Abbau geht weiter, vor allem in Südostasien. Dabei hat der Regenwald eine immense Bedeutung für den Naturund Artenschutz: als Klimaregulator und Heimat gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Ausserdem gibt es verschiedene Ethnien, die autark im Regenwald leben. Ihre Identität und Kultur ist durch die Abholzung ebenfalls bedroht.
Doch wie lässt sich der Regenwald am besten schützen? Muss er ohne Wenn und Aber in Schutzgebiete umgewandelt werden? Oder ist es realistischer, ihn mit marktwirtschaftlichen Methoden zu bewahren – über eine schonende Nutzung der wertvollen Tropenhölzer? Precious Woods vertritt die zweite These. Das Zuger Unternehmen bewirtschaftet nachhaltig 1,1 Millionen Hektar Tropenwald in Gabun und Brasilien, das entspricht der doppelten Fläche des Kantons Bern. Aus dem geernteten Tropenholz stellt Precious Woods Holzbretter und Furniere her, die auf dem Weltmarkt verkauft und beispielsweise im Häuserbau und für Mobiliar verwendet oder zu Parkett weiterverarbeitet werden. Precious Woods hat sich dem Nachhaltigkeitsstandard des Forest Stewardship Councils (FSC) verschrieben und ist das erste Unternehmen, das in Brasilien und Gabun diese Zertifizierung erreicht hat. 1990 gegründet, hat Precious Woods seinen Hauptsitz in der Schweiz, dort arbeiten jedoch nur elf Personen. Die übrigen knapp 1400 Mitarbeitenden sind in Afrika und Südamerika tätig. Zudem engagiert sich Precious Woods aktiv für bessere Lebensbedingungen der Mitarbeitenden, ihrer Familien und der Dorfgemeinschaften vor Ort. In Brasilien gehört der Wald Precious Woods, in Afrika hat das Unternehmen eine Konzession für Wald in Staatsbesitz.
Markus Brütsch ist CEO, CFO und Delegierter des Verwaltungsrats von Precious Woods. Der 56-Jährige hat in der Industrie langjährige Führungserfahrung als CFO und Geschäftsführer gesammelt, bevor er 2014 zu Precious Woods kommt. Damals befand sich das Unternehmen in einer existenziellen Krise: Nach kapitalintensiven Akquisitionen in Holland und Gabun musste man wegen eines überraschenden Exportverbots von Rundholz in Gabun ein Sägewerk aus dem Boden stampfen. Hinzu kamen Korruptionsprobleme in Brasilien. In Verbindung mit der Finanzkrise führten diese verschiedenen Faktoren zu einer hohen Schuldenlast. Im Ergebnis brach die Aktie zeitweilig auf unter zwei Schweizer Franken ein und wurde schliesslich dekotiert. Sogar der Weiterbestand des Unternehmens war infrage gestellt. In dieser Situation wird Markus Brütsch für die Position des CFO angefragt. Und er sagt tatsächlich zu – obwohl er sich weder in Südamerika noch in Afrika noch in der Holzverarbeitung auskennt. Was er mitbringt, ist langjährige Management-Erfahrung und einen Erfolgsausweis als Sanierer. «Und das nachhaltige Konzept habe ich extrem spannend und verantwortungsvoll gefunden. Deshalb wollte ich die Herausforderung gerne annehmen.» Auch wenn er bei Precious Woods weniger verdient als in seinen Industrie-Positionen, ist er überzeugt, dass er den richtigen Schritt gegangen ist: «Mich motiviert die Vision hinter Precious Woods.» Dass Markus Brütsch sein Engagement ernst meint, lässt sich an einem persönlichen Detail erkennen: Für die Aufgabe bei Precious Woods hat er seine Spinnenphobie überwunden. «Ich musste. Denn Spinnen kann man im Urwald nun wirklich nicht entgehen.»
Seit der Krise konzentriert sich Precious Woods auf das B2B-Geschäft. Wichtige Abnehmerländer sind die Benelux-Staaten, weil Wasserbauten dort eine grosse Bedeutung haben. Tropenhölzer sind dafür hochinteressant, weil viele wasserbeständig sind und nicht imprägniert werden müssen. Auch Unternehmen aus China, Vietnam und Indonesien gehören zu den Kunden von Precious Woods. Auf den langjährigen Verwaltungsratspräsidenten und Nachhaltigkeitsexperten Professor Ernst A. Brugger ist im Frühjahr 2017 Katharina Lehmann gefolgt, die Inhaberin des Ostschweizer Holzbauunternehmens Lehmann Gruppe. Unter den 1300 Aktionären sind bekannte Namen wie der Weinfelder Immobilienmanager Werner Fleischmann, der Implenia-Grossaktionär Max Rössler oder Dieter Meier von Yello.
Mitarbeitende von Precious Woods in Brasilien mit CEO Markus Brütsch (Mitte).
WAS SIE ANTREIBT
«Die beste Art, den Tropenwald zu schützen, ist, ihn nachhaltig zu bewirtschaften. » So lautet das Credo von Precious Woods. Das Ziel, erläutert Markus Brütsch, sei ganz klar der Schutz, aber ebenso klar die Nutzung. Er möchte das Tropenholz in der öffentlichen Wahrnehmung entkriminalisieren – «zumindest, wenn es so abgebaut wird, wie wir das tun.» Denn nach wie vor gebe es viel Missbrauch und illegale Aktivitäten. Andererseits sei es europäische Arroganz, den Entwicklungsländern die Nutzung ihres Waldes zu verbieten – «schliesslich betreiben wir selbst seit vielen Jahrhunderten Waldwirtschaft.»
Precious Woods will beweisen, dass Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und ethischer Grundsätze funktioniert und sich so auch Gewinne erwirtschaften lassen. Das Ziel von Markus Brütsch ist es, statt 1,1 Millionen Hektar Tropenwald drei, vier oder sogar zehn Millionen Hektar zu bewirtschaften und auch noch andere für dieses Geschäftsmodell zu motivieren.
«Wir haben praktisch keine Wilderei, weil die Menschen für ihre Wälder und die Tiere einstehen.»
Markus Brütsch, CEO
Den aktuellen Trend zur Wiederaufforstung ehemaliger Tropenwälder erachtet Markus Brütsch zwar als notwendig. Doch dieses Vorgehen könne immer nur die zweitbeste Lösung sein: «Besser ist es, dass erst gar nicht abgeholzt wird. Denn den ursprünglichen Zustand kriegt man nie mehr hin.» Auch Schutzgebiete, so seine Überzeugung, sind nicht der einzige Weg. Sie seien in der Theorie zwar das Optimum, in der Praxis aber weniger Erfolg versprechend als Waldwirtschaft à la Precious Woods. «Denn bei uns hat die lokale Bevölkerung eine Motivation, dem Regenwald Sorge zu tragen. Und das betrifft nicht nur ein paar Ranger, sondern wir schaffen Arbeitsstellen und Perspektiven für Hunderte.» Dieses Modell, so ist Markus Brütsch überzeugt, sei ebenfalls nachhaltiger als Zahlungen der internationalen Gemeinschaft an die Regierungen der Tropenwaldländer. «Denn je nach Korruptionsgrad können diese Millionenbeträge auch versickern, ohne dem Regenwald zugutezukommen.» Markus Brütsch fährt aus Überzeugung einen Kurs ohne Korruption – «auch wenn wir darunter leiden, weil bei uns alle Behördengenehmigungen länger dauern.»
Auf dem Waldgebiet von Precious Woods in Gabun leben zahlreiche Elefanten.
WAS SIE ANDERS MACHEN
Precious Woods hält die höchsten Standards des Forest Stewardship Councils (FSC) ein und hat sich darüber hinaus auch selbst strikte Auflagen gesetzt. Konkret arbeitet Precious Woods in Gabun im Zyklus von 25 Jahren, in Brasilien im Zyklus von 35 Jahren. Das bedeutet, dass sie das Land in 35 Abschnitte aufteilen und pro Jahr nur einen Abschnitt bewirtschaften. In diesem Abschnitt holt Precious Woods lediglich ein bis drei Bäume pro Hektar heraus. «Natürlich braucht es auch eine Strasse im Wald, sonst kommen wir gar nicht herein.» Doch anschliessend, so Markus Brütsch, gehen die Holzfäller über Nebenwege weiter, die wieder zuwachsen. Sie fällen in die richtige Richtung, damit es fast keine Kollateralschäden gibt. Anschliessend ziehen sie die Bäume mit einem Seil heraus – «erst dann kommen die Trucks.» Beim Fällen und Transportieren passen die Arbeiter auf, dass sie das Blätterdach des Waldes nicht beschädigen. Denn Sonnenlicht, das bis zum Boden durchstrahlt, würde die Biodiversität beschädigen – «das dürfen und das wollen wir nicht.» Dass das Konzept aufgeht, beweist die Vielfalt der Tierarten auf dem Precious-Woods-Gebiet: In Gabun gibt es grosse Populationen 27 von Waldelefanten und Gorillas, in Brasilien fungieren die Tapire als Indikator für Biodiversität: «Wenn die da sind, ist alles gut.»
Nachhaltig kann man nur dann sein, wenn man sich auch gegenüber den Mitarbeitenden korrekt verhält, sagt Markus Brütsch. In Brasilien ist es wegen der Regenzeit nur während sechs Monaten pro Jahr möglich, Bäume zu fällen. In dieser Zeit arbeitet die Fäll-Crew elf Stunden am Tag, wird aber das ganze Jahr über bezahlt und kompensiert in den restlichen Monaten die entstandene Überzeit. So ist es auch mit den brasilianischen Gewerkschaften vereinbart worden. Ausserdem betreibt Precious Woods in Brasilien ein Biomasse-Kraftwerk: Das Unternehmen produziert mit einer Dampfturbine neun Megawatt Strom und versorgt so eine Stadt mit 100 000 Einwohnern sowie das eigene Sägewerk. Weiterhin läuft ein Projekt mit Natura, dem grössten Kosmetikhersteller Brasiliens, um Restholz für die Duftherstellung zu nutzen. Schliesslich legt Precious Woods grossen Wert auf einen respektvollen Umgang mit der indigenen Urwaldbevölkerung und hält stets 20 Kilometer Abstand von deren temporären Siedlungen.
In Gabun hat Precious Woods für die Waldarbeiter und Angestellten der Sägerei ein eigenes Dorf mit 3000 Einwohnern errichtet, inklusive Schule, Spital und Firmenladen. Auch die Gehälter der Lehrer, Ärzte und Pflegekräfte zahlt Precious Woods. Hinzu kommt die Ausbildung der Mitarbeitenden, die im Übrigen fair entlöhnt werden. «Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit halten die Maschinen nicht lange, deshalb setzen wir auf Manpower», kommentiert Brütsch. An beiden Standorten bietet Precious Woods Schulungen an, zum Beispiel zu Hygiene oder zu medizinischen Themen.
Insgesamt gibt es 20 Mitarbeitende, die sich ausschliesslich um die sozialen Aspekte der Communities kümmern. «Das sind einerseits alles Kosten, die man nicht sieht», urteilt Markus Brütsch. «Andererseits haben wir auch eine extreme Verantwortung, nicht nur für unsere Mitarbeitenden, sondern auch für deren Familien.» Dank der Kommunikation mit allen Stakeholdern vor Ort geniesst Precious Woods das Vertrauen der Bevölkerung in ihren Wirkungsgebieten. «Wir haben praktisch keine Wilderei, weil die Menschen für ihre Wälder und die Tiere einstehen», berichtet Markus Brütsch. Die Situation des Waldes und der Tierwelt prüft das Unternehmen regelmässig mit Satellitenaufnahmen. Ausserdem steht Precious Woods im Dialog mit NGOs wie dem WWF, der aktuell auf Precious-Woods-Gebiet in Brasilien ein Drohnenprojekt durchführt. Auch mit der Weltbank gibt es Kontakte.
Was für Markus Brütsch die wohl grösste Herausforderung war: Die Kultur war an beiden Standorten total verschieden – in Gabun eher strikt und hierarchisch, eher konservativ-französisch getrieben, während die Mitarbeiter in Brasilien sehr offen und spontan seien, aber ungern vorausplanten. «Ich muss an beiden Standorten völlig anders führen, es hat ein Jahr gedauert, bis ich das richtig verstanden hatte.»
WARUM ES SICH LOHNT
«Wir wollen beweisen, dass man den Tropenwald nachhaltig auf höchstem Standard bewirtschaften und zugleich profitabel arbeiten kann», umschreibt Markus Brütsch seine Mission. Er weiss, dass es nur wenige FSC-zertifizierte Betriebe in der tropischen Naturwaldwirtschaft gibt. Denn einerseits sei der Markt nicht bereit, für den höheren Standard auch entsprechend höhere Preise zu akzeptieren: «Aktuell können wir 5 bis 10 Prozent Aufschlag durchsetzen, müssten aber eigentlich 15 bis 20 Prozent haben.» Andererseits sei der administrative Aufwand relativ hoch. Laut Markus Brütsch gibt es eine Handvoll europäische Unternehmen, die ebenso wie er in Afrika nachhaltig tätig sind. «Das sind zwar Mitbewerber, aber auch Freunde. Die echten Konkurrenten sind die Illegalen oder die mit einem tiefen Zertifizierungsstandard.»
Markus Brütsch sieht es deshalb als persönliche Aufgabe, über nachhaltige Tropenwaldbewirtschaftung aufzuklären, Verständnis für die Zusammenhänge zu wecken und so ein Qualitätsbewusstsein bei den Kunden zu schaffen. Gleichzeitig steht er permanent vor der Herausforderung, Kosten zu sparen: «Der Druck ist omnipräsent, etwas zu verbessern.» Um noch mehr Verständnis für die Leistungen des Unternehmens zu wecken, gleist Precious Woods aktuell ein «Impact Measurement Reporting» auf. Dieses wird anhand klar definierter Kennzahlen aufzeigen, wie viel Wirkung das Engagement von Precious Woods tatsächlich zeigt.
2016 hat es Precious Woods noch nicht wie geplant in die Gewinnzone geschafft. Doch für das erste Halbjahr 2017 ist ein positives Nettoresultat von 0,3 Millionen Schweizer Franken erzielt worden. Und Markus Brütsch ist optimistisch, dass er das Unternehmen in stabile schwarze Zahlen führen kann. Um noch mehr Wald zu schützen, möchte er expandieren, zum Beispiel in ein asiatisches Land wie Myanmar. Ein weiteres Geschäftsfeld könnte sich aus einer Entschädigung für die CO2-Speicherfunktion der Wälder ergeben: «Weil wir Freiraum schaffen, ist in unseren Gebieten das Wachstum wesentlich grösser als in einem geschützten Wald.» Doch bis die staatliche Entschädigung so weit sei, werde es noch zehn Jahre dauern.
Markus Brütsch hat einen anspruchsvollen Job – aber die Vielfalt der Herausforderungen und das Interdisziplinäre faszinieren ihn. «Precious Woods ist für mich die ideale Aufgabe. Ich könnte nicht mehr zurück in die normale Industrie.»
Bernhard Ruetz: Ethisch. Nachhaltig. Erfolgreich.
Zehn Schweizer Unternehmen und ihre Geschichten
Verlag Ars Biographica, Humlikon 2018.
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